Beirats-Newsletter 02/2017

Inhalt 

  1. Kompakt: Entscheidungen aus WEG- und Mietrecht
  2. Gesetzliche Änderungen und Entwürfe
  3. Modernisieren, Sanieren und Instandhalten NEU:
  4. Praxistipp: Messdienstleistungen von A bis Z
  5. Mieten, Kaufen, Wohnen: Aktuelle Entwicklungen

 

Kompakt: Entscheidungen aus WEG- und Mietrecht

Zwist um die Hecke: Wann greift der Anwaltszwang?

In einem WEG-Prozess vor dem Amtsgericht Bautzen kursierte eine falsche Rechtsmittelbelehrung, die das Landgericht Görlitz als zuständiges Berufungsgericht angab. Ein Berufungskläger bzw. sein Rechtsanwalt vertraute auf diese unrichtige Angabe und verpasste dadurch die Berufungsfrist. Sein Rettungsversuch hatte Erfolg.

Der Fall
Zwei Wohnungseigentümer (Sondernutzungsberechtigte) streiten sich über die Höhe einer Thujenhecke, die die Grenze ihrer beiden Garten-Sondernutzungsflächen bildet. Der Kläger verlangte einen Rückschnitt auf 1,80 Meter. Das AG Bautzen gab der Klage statt. In der Rechtsmittelbelehrung wurde – fälschlicherweise – das LG Görlitz als zuständiges Berufungsgericht bezeichnet. Der Rechtsanwalt des Beklagten legte Berufung beim LG Görlitz ein. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzuständigkeit des angerufenen Berufungsgerichts legte der Beklagtenanwalt Berufung bei dem LG Dresden ein. Das LG Dresden wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Es ist der Meinung, der Beklagte habe sich das schuldhafte Verhalten seines Rechtsanwalts zurechnen zu lassen. Die Tatsache, dass sein Rechtsanwalt nicht Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sei, entschuldige ihn nicht. 

Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) sah den Fall anders, hob die Entscheidung des LG Dresden auf und verwies die Sache an das dortige Gericht zurück. In seinem Beschluss beurteilt der BGH die entscheidende Frage, ob die Fehlerhaftigkeit der gerichtlich verwendeten Rechtsmittelbelehrung für einen Rechtsanwalt bei objektiver Betrachtung offenkundig war, anders als das Berufungsgericht. Unter Hinweis auf das Rechtsstaatsprinzip und die Notwendigkeit eines fairen Prozesses kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass der hier tätige Rechtsanwalt die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht erkennen konnte bzw. musste. Deshalb sei der Beklagtenseite Wiedereinsetzung in den Lauf der Berufungsfrist zu gewähren.

Fazit für den Beirat
Im amtsgerichtlichen Verfahren dürfen Wohnungseigentumsverwalter ohne Rechtsanwalt die Beklagten im Anfechtungsprozess vertreten. Ein Anwaltszwang gilt vor den Deutschen Amtsgerichten nicht. Wird – wie hier – für die Beklagtenseite Berufung eingelegt, greift der Anwaltszwang. Der Verwalter muss daher spätestens für die zweite Instanz einen Rechtsanwalt einschalten.

 

Stimmrechtsverbot des Wohnungseigentümers

Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts (z. B. Abschluss eines Vertrages) mit ihm (Variante 1) oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits (z. B. einer Klage) gegen ihn (Variante 2) betrifft oder wenn er nach § 18 WEG rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums (Entziehungsklage) verurteilt ist. Weil § 25 Abs. 5 WEG das Stimmrecht als wichtigstes Mitgliedschaftsrecht beschneidet, ist die Vorschrift eng auszulegen. Trotzdem gibt es Fälle von schweren Interessenkonflikten, in denen die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus entsprechend angewendet werden darf. Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.

Mit Urteil vom 13.01.2017 entschied der BGH: Ein Wohnungseigentümer ist entsprechend § 25 Abs. 5 Alt. 1 WEG bei der Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft mit einer rechtsfähigen Personengesellschaft dann nicht stimmberechtigt, wenn er an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter ist.

Der Fall
Es geht um eine Anfechtungsklage. Der Beklagte ist der Mehrheitseigentümer. Die klagenden übrigen Wohnungseigentümer wenden sich gegen einen Beschluss der Versammlung, der mit der Stimmenmehrheit des Beklagten gefasst wurde. Beschlussinhalt ist der Abschluss eines Wärmelieferungsvertrages zwischen der WEG und einer GmbH & Co. KG, die auf einem benachbarten Grundstück eine Heizungsanlage betreibt und mehrere umliegende WEG mit Wärme beliefert. Der Beklagte ist Kommanditist dieser KG und Geschäftsführer von deren Komplementär-GmbH, an der er mit 51 Prozent der Gesellschaftsanteile beteiligt ist. Die übrigen 49 Prozent der Geschäftsanteile der Komplementärin stehen seiner Ehefrau zu. Zunächst war versucht worden, den Wärmelieferungsvertrag mit dem Beklagten selbst abzuschließen, jetzt ging es um den Abschluss mit der KG. Die Kläger fochten den Mehrheitsbeschluss gerichtlich an und beriefen sich auf ein den Beklagten treffendes Stimmverbot, so dass bei korrekter Stimmrechtsauszählung der Antrag hätte abgelehnt werden müssen. Mit ihrer Argumentation drangen die Kläger in allen Instanzen durch.

Die Entscheidung
Der BGH bejaht ein Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 Variante1 WEG. Zwar passe der Wortlaut der Vorschrift nicht unmittelbar, da der Vertrag nicht mit dem Beklagten persönlich abgeschlossen werde, sondern mit einer Gesellschaft, mit der der Beklagte wirtschaftlich und persönlich verflochten sei. Jedoch komme über den Gesetzeswortlaut hinaus eine erweiternde (entsprechende) Anwendung des § 25 Abs. 5 WEG in Betracht, wobei allerdings Zurückhaltung geboten sei, da das Stimmrecht des Wohnungseigentümers zu dem Kernbereich seiner elementaren Mitgliedschaftsrechte gehöre. Auch sei es an sich nicht zu beanstanden, wenn ein Wohnungseigentümer bei der Abstimmung über eine gemeinschaftliche Angelegenheit auch private Sonderinteressen einfließen lasse. Jedoch könne eine solche Abwägung dem Wohnungseigentümer dann nicht mehr gestattet sein, wenn der Interessenkonflikt, in dem sich ein Wohnungseigentümer im Einzelfall befinden könne, so schwerwiegend sei, dass er ihn nicht mehr unbefangen lösen könne. In derartigen Ausnahmefällen sei mithin eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zulässig.

Der BGH bejaht einen solchen Ausnahmefall. Das Interesse der KG an dem Zustandekommen des Wärmelieferungsvertrages mit der WEG sei mit dem privaten Sonderinteresse des Beklagten am Abschluss des Vertrages gleichzusetzen. Dass er nur mit einem geringen Kommanditanteil von 1.500,00 EUR an der KG beteiligt sei, sei nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr seine Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der KG. Daraus ergäbe sich für den Beklagten der gleiche Interessenkonflikt, der sich für ihn ergäbe, wenn er selbst die Wärmelieferung hätte übernehmen sollen. Bei einer derartigen Fallkonstellation sei der Beklagte bei der Ausübung seines Stimmrechts als Wohnungseigentümer nicht mehr im Stande, seine privaten Sonderinteressen, das Gesellschaftsinteresse der KG und das Gemeinschaftsinteresse der Wohnungseigentümer unbefangen gegeneinander abzuwägen, sondern bei objektiver Bewertung ausschließlich davon geleitet, das Gemeinschaftsinteresse der WEG nicht mehr zu berücksichtigen. In einem solchen gesteigerten Fall der Interessenkollision sei es gerechtfertigt, den Wohnungseigentümer bei der Abstimmung mit einem Stimmrechtsverbot zu überziehen.

Fazit für den Beirat
Besteht ein Stimmrechtsverbot nach § 25 Abs. 5 WEG, darf der Verwalter den betroffenen Wohnungseigentümer von vornherein nicht an der Abstimmung beteiligen. Es verhält sich mithin anders als bei der Frage nach einem Stimmrechtsmissbrauch (§ 242 BGB), wo der Verwalter als Versammlungsleiter gehalten ist, erst nach Abgabe aller Stimmen abzuwägen, ob und inwieweit eine Einzelstimme wegen Rechtsmissbrauchs nicht mitzuzählen ist.

 

Bauliche Veränderung am Sondereigentum: Das optische Gesamtbild im Blick behalten

§ 22 Abs. 1-3 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt bauliche Maßnahmen (bauliche Veränderungen, Modernisierung, modernisierende Instandsetzung) am gemeinschaftlichen Eigentum. Sondereigentum wird nicht umfasst. Dennoch unterliegen auch bauliche Maßnahmen am oder auf dem Sondereigentum gesetzlichen Beschränkungen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil von Ende 2016 feststellt.

Der Fall
Klägerin und Beklagter sind Mitglieder einer WEG im Taunus, die 1964 errichtet wurde. In der Gemeinschaftsordnung ist vereinbart, dass Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum im Außenbereich der Zustimmung des Verwalters bedürfen und bei wesentlichen Veränderungen zusätzlich die Zustimmung der Eigentümerversammlung einzuholen ist. Die Eigentümerversammlung beschloss eine gemeinschaftliche Dachinstandsetzung, in deren Zuge auch Form und Gestalt der gesamten Dachkonstruktion und der Attika verändert wurden. Zur Durchführung der gemeinschaftlichen Arbeiten war es auch erforderlich, den Belag, die Umgrenzung und den Dachvorbau auf dem Dachgarten des Beklagten zu entfernen. Dieser duldete die Arbeiten und ließ im Anschluss einen neuen Dachvorbau errichten, der in Form und Farbe von dem früheren Zustand abwich. Hierzu behauptet der Beklagte, die Zustimmung des Verwalters eingeholt zu haben. Eine Zustimmung der Eigentümerversammlung lag unstreitig nicht vor. 

Die Entscheidung
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung in die zweite Instanz zurück. Der BGH führt aus, dass die bisher getroffenen Feststellungen nicht genügten, um der Klage stattzugeben. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht zur Beurteilung der Rechtslage auf § 22 Abs. 1 WEG zurückgegriffen. Dies sei verfehlt, weil § 22 WEG lediglich bauliche Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum regele, insbesondere Substanzeingriffe. Daran fehle es, da der Dachgarten an sich sondereigentumsfähig sei, wenn die Teilungserklärung – wie hier – ihn zum Sondereigentum erkläre. Jeder Wohnungseigentümer dürfe zwar mit seinem Sondereigentum nach Belieben verfahren, doch müsse er dabei das Gesetz und die Rechte Dritter berücksichtigen (§ 13 Abs. 1 WEG).

Entgegen der Ansicht des Landgerichts dürfe bei der Beurteilung der Erheblichkeit eines Nachteils nicht nur auf das konkret veränderte Bauteil geschaut werden. Vielmehr sei ein Vorher-Nachher-Vergleich von Nöten, der das gesamte Gebäude einbeziehe. Außerdem dürfte bei der Feststellung des Gesamteindrucks des Gebäudes nicht nur auf die zeichnerischen Vorgaben im Aufteilungsplan zurückgegriffen werden. Stattdessen sei es erforderlich, auch zwischenzeitlich vorgenommene bauliche Veränderungen am Gebäude, die entweder von Sondereigentümern vorgenommen wurden oder auf gemeinschaftliche Beschlüsse zurückgehen, in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen. 

Fazit für den Beirat
Nimmt ein Sondereigentümer bauliche Maßnahmen an seinem Sondereigentum vor, die auf den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage ausstrahlen, kann sich die Notwendigkeit einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer ergeben. Der Verwalter kann gehalten sein, einen entsprechenden Beschlussantrag in die Einladung und die Tagesordnung aufzunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der bauwillige Sondereigentümer einen solchen Antrag stellt. Sieht eine Gemeinschaftsordnung eine Verwalterzustimmung für bauliche Maßnahmen vor, ist dies grundsätzlich ein zusätzliches Erfordernis zur Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer, die also zusätzlich erforderlich ist.

 

Wenn Duschen krank macht… Legionellen-Fall in München vor Gericht 

Das Wasser aus der hauseigenen Leitung hat sie krank gemacht. Davon ist die Mieterin einer Münchner Wohnung überzeugt. Nach einer Legionellen-Infektion 2013 leidet sie noch heute unter Asthma und kämpft mit den gesundheitlichen Folgen ihrer Erkrankung. Schuld ist ihrer Ansicht nach der Hausverwalter, der schwere Pflichtverletzungen begangen haben solle. Sie fordert Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Der Fall
Die Mieterin der Wohnung erkrankte 2013 an einer Legionellen-Infektion und litt nach eigener Auskunft monatelang unter Fieber, Schwäche und Atemnot. Rund ein Jahr lang war sie zudem nicht arbeitsfähig. Sie verklagt ihren Immobilienverwalter vor dem Amtsgericht, da dieser sie nicht informiert habe und verlangt 85.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Anwälte der Mieterin führen u. a. an, dass der Verwalter keine Trinkwasseruntersuchung durchgeführt und die Bewohnerin nicht über ein behördliches Duschverbot in Kenntnis gesetzt habe.

Der Verwalter bestreitet die Vorwürfe und führt an, dass sich die Mieterin die Infektion ebenso gut auch im Urlaub zugezogen haben könnte. Dies ist der „Knackpunkt“ der Gerichtsverhandlung, denn es liegt bei der Mieterin zu beweisen, dass ein Legionellenbefall in der Wohnung vorlag und zu ihrer schweren Erkrankung führte.

Die Entscheidung steht noch aus
Der zuständige Richter des Amtsgerichts schlug einen Vergleich vor, den jedoch der beklagte Verwalter ablehnte. Nun – gegen Ende des Prozesses – nähern sich die Parteien einander doch noch an. Dies auch, weil die Grenzwerte für Legionellen im Haus den gesetzlichen Normwert angeblich überschritten haben sollen. Bis zum 31. Mai wollte das Gericht ein Vergleichsangebot vorlegen. Stimmen beide Parteien dem zustimmen, erhält die Mieterin eine Schadensersatzsumme, wenn nicht, werden mehrere Gutachter zu Rate gezogen. Urteil: noch offen.

Drogenanbau ist Kündigungsgrund

Vermieter müssen den professionellen Anbau von Cannabis nicht dulden. Dieser Auffassung ist das Amtsgericht Karlsruhe. 

Der Fall
Die Vermieterin stellte fest, dass ihr Mieter in der Wohnung Rauschgift konsumiert. Daraufhin durchsuchte die Polizei die Räume, den Keller und die Mansarde der Wohnung und fand zahlreiche Cannabispflanzen, die der Mieter professionell angebaut hatte. Die Vermieterin kündigte dem Mieter fristlos und forderte die Räumung der Wohnung. Der Mieter führte an, dass er das Marihuana aus medizinischen Gründe konsumiere. Eine ärztliche Verordnung oder ein Attest konnte er allerdings nicht vorweisen.

Die Entscheidung
Das Amtsgericht Karlsruhe gab der Vermieterin Recht und bestätigte die fristlose Kündigung. Der Mieter muss die Wohnung räumen. Bereits der Anbau und Konsum von Cannabis in der Wohnung rechtfertige die fristlose Kündigung. Dabei ist unerheblich, ob der Mieter die Drogen an Dritte verkaufe oder selbst konsumiert. Der Mieter nutze die Räume zur Produktion von Rauschgift und begehe somit planmäßig eine Straftat. In Anbetracht der hohen Anzahl von Pflanzen in der Wohnung könne nicht mehr von einem Einzelfall ausgegangen werden. 

 

Fazit für den Beirat
Eine vorherige Abmahnung ist in diesem Falle nicht erforderlich, da das mit dem Mietvertrag eingegangene Vertrauensverhältnis hier grundlegend zerstört wurde und auch durch künftiges vertragsmäßiges Verhalten nicht wieder hergestellt werden kann.